Nachruf auf Günter Amendt und Owsley Stanley von Werner Pieper
Günter Amendt und Owsley Stanley ††
Günter wollte für Brummbärs DER GAMMLER Nachwort schreiben: aber er habe erst ab Mitte März Zeit … wir warteten nicht auf ihn. Und nun ist er – Mitte März – von einem außer Kontrolle geratenen Auto gekillt worden.
Ich wurde um einen Text zu Günter gebeten, here it is:
(M)Ein guter großer Bruder Günter
Wir sind uns im Meatspace nur selten begegnet, tauschten wiederholt Briefe aus, ich verlegte u.a. das drogenpolitische Pamphlet ‚Am Rande der Verbote‚ von ihm – und auf einem von ihm geleiteten Podium zu Albert Hofmanns 100. Geburtstag saß ich zu seiner Rechten (und Brummbär zu seiner Linken)*.
Es kommt nicht häufig vor, daß einem ein Mensch bei so wenig Begegnungen so ans Herz wächst – und bei uns basierte das wohl auf Gegenseitigkeit. Erst jetzt erfahre ich von unsern Gemeinsamkeiten: Pink Floyd versus Jimi Hendrix; Velo- & Zugfahrer; die Ablehnung bestimmter zeitgenössischer ‚Zeitzeugen‘ …
Als ich für ein Buch über die 60er Jahre – dies- und jenseits von ’68 – rund 90 Sechzigjährige anschrieb, legte ich den potentiellen AutorInnen auch einen Fragebogen bei; allein von ihm kam eine nachvollziehbar begründete, wohlformulierte Absage: „Ich äußere mich nur ungern zu den 60er Jahren. Nicht weil ich mich von mir und meiner Vergangenheit distanziere, sondern weil meist schon die Fragen, die man mir stellt, erkennen lassen, daß es sinnlos ist, eine Antwort zu versuchen. […] Ich will mich auch nicht zum Historiker meines eigenen Lebens machen. […] Da ich Dich und Deine Arbeit schätze, wäre ich bereit gewesen […] doch ich schaffe es nicht.“
Und einen kleinen Rüffel bekam auch ich ab: „Im übrigen solltest Du wissen, daß mich Deine Frage, ‚Was erzählst Du Deinn Kindern und Enkeln von früher?‘ irritiert. Ich besitze keine Kinder, und ich habe keine Enkel. So befragt man einen Mann nicht, der aus seiner Homosexualität keinen Hehl macht.“
Er nahm meine Entschuldigung an und erfüllte mir gar den Wunsch, seine Absage als Nachwort in mein Buch (Alles schien möglich … 60 Sechzigjährige über die 60er Jahre und was aus ihnen wurde) mit aufzunehmen, da sie doch gute Gedankengänge zum Thema bot.
Ich habe lange Zeit eine Drogenfreigabe abgelehnt, immer für eine Entkriminalisierung gekämpft: ‚Kein Knast Für Drogen!‘, aber eine Art 20€-Smoking-Ticket für erwischte Kiffer. Damit junge Leute die Chance haben, auch in entpolitisierten Kreisen ein Gefühl dafür zu entwickeln, daß hier nicht alles gerecht abläuft. Günter ging jedoch noch eins weiter, so war er aus ähnlichen Gründen für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht: „Sie sollte auch für Frauen gelten. Es kann nur gut sein, wenn Heranwachsende wenigstens einmal im Prozeß des Erwachsenwerdens mit einer gesellschaftlichen Forderung konfrontiert werden, der sie sich nicht entziehen können, und die sie dazu zwingt, ja oder nein zu sagen. Solange es das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt, ist dagegen nichts einzuwenden.“
Anfang des Jahres teilte mir Autor Bernd Brummbaer mit, daß Günter zwar gerne ein Nachwort zu Brumms Buch ‚Der Gammler‚ schreiben würde, aber erst ab Mitte März wieder Zeit habe.
Das Buch ging vorher in Druck.
Auf den großen LSD-Kongressen der vergangenen Jahre in Basel kam es zu wiederholten Diskussionen und Vorfällen, die weitere Gemeinsamkeiten zeigten: während wir beide mehr als freundschaftlich mit Albert Hofmann verbunden waren, gemeinsam an einem Podiumsgespräch über ‚damals‘ teilnahmen, clashten wir zwei Jahre drauf mit dem Umfeld, wurden zu Nestbeschmutzern dieser elitären Veranstaltung: er u.a. mit seinen Hinweisen auf die weitgehend undiskutierte Fragwürdigkeit der neuen LSD-Forschung von/für dem/das Militär, ich mit meinen Hinweisen auf die Gesetzeslage bzw. die wg. LSD Inhaftierten. Wir mußten uns anhören, daß wir mit solchen Themen die ganze neue akademische Forschung diskredittieren würden. Uns ging und geht es um die Menschen wie Du und ich – und nicht um Akademiker (von denen einige paranoid befürchten, ich könne sie als ehemalige ‚illegale‘ Kunden enttarnen) und deren zweifelhafte Auftraggeber …
Meine Freude war groß, als er sein LSD-Buch herausbrachte – auch wenn wir bei einigen Details unterschiedlicher Meinungen waren, so gab es doch viele grundsätzlichen Gemeinsamkeiten bezüglich dieser psychoaktiven Substanz. So dünkt es mich wie eine merk-würdige Fußnote unserer Geschichte, daß just an jenem Tag, an dem Günter von einem Auto erschlagen wurde, der einflußreichste LSD-Chemiker des US-Undergrounds der 60er, der Roadie der Grateful Dead, Stanley Owsley mit seinem Wagen gegen einen Baum in Australien raste – und dies nicht überlebte.
Jimi Hendrix hatte Owsley’s Acid mit der Hymne ‚Purple Haze‘ musikalisch verewigt. Künftig werde ich immer an Günter denken, wenn ich dieses Lied höre – wie jetzt: LAUT!
‚xcuse me, while I kiss the sky …
* Rechts von mir saßen noch Simon Vinkenoog und Sergius Golowin; auch sie beide inzwischenverstorben.