Nachhilfe in Rauschkunde für CDU-Politiker – von Hans Cousto
Gemäß eines Artikels in dem Boulevardblatt „BZ“ vom 15. Mai 2010 lehnt der Sicherheitsexperte Peter Trapp (62) von der CDU die neue Verordnung ab: „Die Konzentration mit halluzinogenen Stoffen hat sich erheblich erhöht, so dass man heute aus 15 Gramm schon viel mehr Rauschgiftportionen erzeugen kann als früher.“ In der „BZ“ vom 16. Mai 2010 legte Trapp noch einmal nach: „Es ist jedenfalls falsch, bei Cannabis und Alkohol mit zweierlei Maß zu messen. Wer den Koma-Suff bekämpft, könne beim Kiffen nicht wegsehen. Vor allem, weil die Wirkstoffe immer konzentrierter werden.“
Wer in Bayern oder Brandenburg mit 15 Gramm Haschisch oder Gras (Marihuana) erwischt wird, der landet vor Gericht. In Berlin sollen Kiffer wie bisher auch in Zukunft in aller Regel straffrei davonkommen, wenn sie nur eine geringe Menge Cannabiskraut oder Cannabisharz auf Tasche haben. Bisher galt eine Grenze von zehn Gramm, bis 15 Gramm war es eine juristische Ermessensentscheidung. Die Hauptstadt plant nun gemäß Auskunft der Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) eine neue Verwaltungsvorschrift, nach der das Mitführen von Haschisch und Marihuana bis 15 Gramm nicht bestraft wird. Die tolerante Drogenpolitik Berlins sei „erfolgreich“, betonte Lompscher. Der Konsum von Cannabis sei bei 15- bis 16-jährigen Schülern von 14 Prozent im Jahr 2003 auf 7,5 Prozent im Jahr 2007 gesunken. Das sei ein „klarer Beleg“ dafür, dass verstärkte Aufklärung zum Erfolg führe.
Demgegenüber stellt die Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) in ihrem „Bericht 2009 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD“ auf S. 158 fest: „Die Blütenstände hatten 2008 einen Wirkstoffgehalt von 10,5% (2007: 10,0%), das Cannabiskraut einen von 2,0% (2007: 2,4%). In die Berechnung des Wirkstoffgehalts von Marihuana fließen die Werte von Cannabiskraut und Blütenständen im Verhältnis zur jeweiligen Anzahl der Proben ein. Von 2004 (10,8%) bis 2007 (7,4%) sank der mittlere THC-Gehalt im Marihuana kontinuierlich. Zwischen 2007 und 2008 gab es allerdings keine Veränderung. Nachdem sich der mittlere THC-Gehalt im Haschisch von 2005 (8,4%) nach 2006 stark verringerte und mit 6,7% den niedrigsten Wert der letzten zehn Jahre erreichte, stieg er in den letzten beiden Jahren wieder leicht an und lag 2008 bei 7,2%. Im Vergleich mit den Angaben von 1997 zeigen sich insgesamt nur geringe Veränderungen, wobei der Wirkstoffgehalt des Cannabisharzes leicht gefallen, der des Marihuanas leicht gestiegen ist.“ Die Behauptung von Peter Trapp ist offenbar falsch. Peinlich für einen ehemaligen Kriminalbeamten und derzeitigen Sicherheitsexperten. Mit einer solchen falschen Angabe diskreditiert Trapp sowohl den Ruf der Polizei wie auch den Ruf der CDU.
Peter Trapp wurde 1968 Polizeibeamter, seit 1971 arbeitete er bei der Kriminalpolizei in Berlin. Seit 1989 war er zudem als Personalrat bei der Direktion 2 und seit 1997 Vorsitzender des Gesamtpersonalrats bei der Berliner Polizei tätig. Im Oktober 1999 ging er in den Ruhestand und sitzt seit November 1999 für die CDU als Mitglied im Abgeordnetenhaus von Berlin.
Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Mario Czaja ist der Auffassung, dass man mit dem Mythos „hoher Wirkstoffgehalt“ eine gute Figur macht. So zitiert ihn der Tagesspiel vom 17. Mai 2010 im Artikel „Lompscher verärgert die SPD“ mit den Worten: „14-Jährige verkauften Cannabisprodukte mit hohem Wirkstoffgehalt an 12-Jährige, 16-Jährige belieferten 14-Jährige, so der CDU-Politiker – und diese Entwicklung wolle die Gesundheitssenatorin offenbar fördern, wenn sie die Berliner Richtlinie zu Cannabis verlängere.“ Mario Czaja ist Mitglied im Abgeordnetenhaus von Berlin und dort Mitglied in den Ausschüssen für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sowie Stadtentwicklung. Zugleich ist er der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus und stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion. Wie Spiegel Online am 15. Februar 2006 berichtete, hatte Mario Czaja sich im Handbuch des Abgeordnetenhauses von Berlin als „Diplom-Ökonom“ ausgegeben, ein Abschluss, den er sich durch ein postgraduales Studium der Wirtschaftswissenschaften 2002/2005 an der sogenannten Freien Universität Teufen/St. Gallen erworben haben wollte. Abschlüsse dieser Institution werden in Deutschland allerdings nicht als akademische Titel anerkannt. Die Freie Universität Teufen gilt als eine Institution, die akademische Abschlüsse nicht für eine entsprechende Leistung, sondern gegen Bezahlung verleiht (sog. Titelmühle). Entsprechend ist sie auch in der Schweiz nicht als Hochschule anerkannt, hat kein Promotionsrecht und darf keine Grade vergeben. Das Bekanntwerden dieser Tatsache veranlasste Czaja dazu, sich aus dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung zurückzuziehen, in dem er zuvor Mitglied gewesen war. (Quelle: Artikel Mario Czaja in der Wikipedia)
Die Geschichte vom „immer höheren Wirkstoffgehalt“ ist genauso irreführend wie die Mär der „immer jünger werdenden Drogenkonsumenten“. Diese oft zu lesende Behauptung hatte schon vor 40 Jahren die Gesundheitsministerin Käte Stobl (SPD) verkündet. Gemäß polizeilichem Hellfeld lag damals (1971) der Anteil der Jugendlichen (unter 18 Jahren) aller ertappten Menschen bei einem Rauschgiftvergehen (so nannte man seinerzeit die Verstöße gegen das BtMG) bei 29,4%, derzeit liegt dieser Anteil deutlich unter 10%. Auch die Mär, dass „eine leichtere Verfügbarkeit zu einer höheren Zahl von Konsumenten führe“ ist eine Irreführung, da in den Niederlanden, wo Haschisch und Marihuana in Coffeeshops erhältlich ist, deutlich weniger Jugendliche und Heranwachsende kiffen als in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz.
Am Samstag, 7. August 2010, wird es auf Berlins Straßen und Plätzen öffentlichen Nachhilfeunterricht in Sachen Rauschkunde geben. Dann wird nämlich die Hanfparade vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor ziehen. Bei dieser Gelegenheit können sich nicht nur CDU-Politiker, sondern alle interessierte Menschen zum Nulltarif in Sachen Rauschkunde schlau machen. Fachkundige Redner werden den ominösen Mythen harte Fakten gegenüberstellen und somit einen Beitrag zu einem besseren Bildungsniveau in der Hauptstadt leisten.